Bericht vom Massencornern zur Verteidigung der Feuer(wehr)politik vorm revolutionärene Reformismus

Nach dem verlängerten Wochenende wird viel geredet in der Stadt. Vielleicht nicht über die „Warenförmigkeit vom städtischem Raum“, aber auf jeden Fall über die Verdrängung und Wut, die verschiedene Menschen spüren. Neben einem Haufen von Artikeln der rechts- bis linksliberalen Presse über die bösen Chaoslinken ohne die, die Gentrifizierung besiegt wäre, gibt es einen scheinbar direkt nach der Räumung in einem wütenden Rausch gegeschriebenen Text.
Hier noch das beratende Gequatsche der Gutbürger*innen:
https://www.l-iz.de/politik/brennpunkt/2023/09/kommentar-brennende-barrikaden-und-eine-hausbesetzung-was-bleibt-von-der-nacht-557097 
https://www.lvz.de/lokales/leipzig/kommentar-zu-randalen-im-leipziger-osten-chance-auf-groessere-solidaritaet-verspielt-HSKQZFB2FBF6DBHA5CNKWXPQNI.html
https://www.lvz.de/lokales/leipzig/brennende-barrikaden-in-leipziger-eisenbahnstrasse-anwohner-kritisieren-ausschreitungen-SESHVZFABZH4HPPMMDUAYKHKGM.html
Die Organizing-Fetischist*innen von der „Gruppe enteignen“ wollen nicht mit den selbstermächtigenden Aktionen von LeipzigBesetzen scheitern, sondern lieber wie in Berlin mit verzweifeltem Staat-Anbetteln. Die politisierende Wirkung der Kampagne Deutsche Wohnen enteignen kann dabei getrost angezweifelt werden, wenn man sich die Entwicklung der Mieter*innenbewegung vor und nach 2019 (Start der Kampagne auf Mietenwahnsinndemo) anguckt. Trotz teils netter Erfolge dieser Initiative kann man eher von einem Bewegungskiller reden, dessen Gnadenstoss der geplante und wahrscheinlich scheiternde selbstverfasste Volksentscheid wird.
40.000 Menschen 2019 – https://www.tagesspiegel.de/berlin/liveblog/wir-mussen-enteignen-damit-berlin-wieder-eine-stadt-fur-alle-wird-5548504.html
paar hundert Menschen 2023 – https://www.tagesspiegel.de/berlin/demo-gegen-mietenwahnsinn-die-situation-verscharft-sich-9600515.html
Der Text hat auch spannende Punkte die er anbringt. Die Bündnisse sollten geschmiedet werden und Szenecodes sind nicht erst seit Leipzigbesetzen ein Problem. Es ist aber schlicht falsch diesen kurzen Haus- und Straßenbesetzungen den Wirkungseffekt abzusprechen, sei es nur die Aufmerksamkeit danach oder das kurze Gefühl der Kommune/Kollektivität währendessen. Aber da gab es schon immer verschiedene unterschiedliche Charaktertypen in der Linken – träumerische, ungeduldige Autonome und spaßbefreite, zielfixierte Kollektivisten
Doch nun zum Wochenende und vor allem dem Dienstag abend. Vor dem Helium war 2 Tage lang ein durchgehendes Beisammensein. In Zeiten allgemeiner Vereinzelung und der Tristheit unser aller Leben war das eine willkommene Ausnahme. Man hat Menschen wiedergetroffen oder das erste mal gesehen und kennt sich jetzt zumindest vom sehen. Es waren viele aus der Szene da, aber auch einige Nachbar*innen und Interessierte. Für die Szene war das ein Gefühl des Ausbruchs von der verrücktmachenden Repressionsangst der letzten Jahre, ein Ende der jedes Jahr länger werdenden Sommerpause und ein Hoffnungsschimmer nach dem generell sehr von Trägheit und Stillstand geprägtem letzten Jahr. Demnach war es als Szeneveranstaltung sehr erfolgreich (was auch eine Legitimation hat). Was die Wirksamkeit in die Gesellschaft angeht, konnte man in den Gesprächen mit den Essensverkäufer*innen, Passant*innen oder direkten Nachbar*innen zumindest ein Interesse feststellen. Einige fanden die Besetzung gut, andere sahen nicht, dass das was bringt. Aber es wurde viel mehr und breiter geredet als bei jedem sinnlosen Nachbarschaftskaffeetrinken oder der nächsten Demo mit breiten (gemeint linksliberalen) Bündnissen um den Ring.
Das Massencornern auf der Eisi fing sehr entspannt an. Paar Stunden mit bekannten Leuten schnacken und bisschen über die Bullen und Vermieter herziehen. Eine grundsätzliche Empörung und eine dahinterliegende Wut konnte man definitiv spüren. 
Irgendwann gegen 20 Uhr macht sich dann ein Menge auf zur Ludwigstraße. Angeblich wegen einer Hausbesetzung, die dann auch vorzufinden war und uns mit roten Bengalos begrüßt hat. Dort wurden dann direkt vor der Tür Mülltonnen entzündet und sich auf eine Räumung vorbereitet. Als die Bullen aber nicht kamen und alle sich entspannten, war kurz generelle Verwirrung bzw. Frustration zu spüren. Manche wussten nicht welches Haus nun besetzt war und niemand hatte eine Ahnung, was nun mit der ungewohnten Situationen der polizeilichen Abwesenheit passeren soll.
Nach einiger Zeit begann man aber sich an die Situation zu gewöhnen. Die Hausbesetzung und deren Verteidigung trat in den Hintergrund. Der neue Modus hatte mehr mit Volksfest und Aufstandsgefühl gemein. Wir haben uns die Eisi zwischen Torgauer Platz und Helium einfach genommen. Wie das in so vielfältigen Vierteln nunmal ist gab es sehr verschiedene Gefühle zu den Feuern, den bereitgelegten Steinen dahinter und dem mal mehr mal weniger auf die Bullen gerichteten Feuerwerk. Während ein Nachbar auf die Straße kam und freudig jubelnd „Feuer“ rief, kam aus einer anderen Tür der nächste und hat unter wütenden „Unordnung – das geht nicht“ rufen versucht die Barrikaden zu löschen, bis ihm die Buhrufe aus der Meute drumrum zu viel wurden. Ein anderer hatte mehr Glück weil er seine Kinder erwähnte und uns Verständnis zusagte. Aus einem Bistro kamen wütende Männer die ihre Mülltonne zur Not mit Gewalt beschützen wollten. Als die gerettet war und sich die Lage runtergekocht hat, haben auch sie sich an den Festivitäten beteiligt. Danach wurde durch ein Megafon erklärt warum wir hier sind und was die Barrikaden sollen, was mit Applaus und Kopfnicken beantwortet wurde.
Die angeblich so negativen Reaktion von den Menschen aus dem Viertel haben wir auf jeden Fall nicht beobachtet. Selten so viele Leute mit fast ausschließlich breit grinsenden Gesichtern gesehen. Bis abends blieb die Stimmung weiterhin ausgelassen und gegen 22/23 Uhr schienen alle genug zu haben und sind selbstständig nach Hause gegangen. Dass die Bullen mit diesem Aufgebot die leere Eisi und das leere Haus räumen mussten, war ihnen selbst peinlich. 
Generell lässt sich sagen, dass das Helium nicht leise und ohne Reaktion geräumt wurde. Die Stärke waren dabei nicht die paar Leute in schwarz sondern die Masse an Menschen die herum stand und physisch, mental unterstützte. 
Man kann von Krawall und Besetzungen strategisch halten was man will. Es sind auf jeden Fall klare Vorteile zu erkennen wie Aufmerksamkeit, öffentlicher Druck, Selbstermächtigung,  Infragestellung von Eigentum und Momente der Gemeinsamkeit sowie einer gewissen Radikalisierung aufgrund der Offenlegung der systematischen Mechanismen. 
Einer der wichtigsten ist aber nicht strategischer Natur sondern ganz einfach: Es macht unglaublich Freude. Diesen Aspekt werden Menschen wie die der „Gruppe Enteignen“ oder auch zum Beispiel traditionellere Kommunist*innen nie verstehen. Es ist einfach eins der besten Gefühle des Lebens vor oder in dem besetzten Haus träumen zu können. Es gibt kaum etwas aufregenderes als ein Feuer brennen zu sehen und zu wissen die Schweine trauen sich grade für diesen kurzen Moment nicht an uns ran. Wir machen Sachen, weil wir sie machen wollen und dass muss reichen, sei es auch nur damit wir danach weitermachen können mit dieser neu gewonnen Hoffnung (auch wenn zu viel davon gefährlich ist)
In diesem Sinne:
Solidarität mit den Besetzer*innen des Heliums!
Für mehr Momente ohne Bullen auf der Eisi!
Auf geht’s ab geht’s – Leipzig Besetzen!